Junge Berufsfrauen fordern ihren Platz ein
«Man muss den Lohn ein zweites und ein drittes Mal nachverhandeln, selbst wenn man nervt», erklärt die 27-jährige HSG-Absolventin. «Ich bin sehr intrinsisch motiviert und möchte dazulernen. Klar ist aber auch, dass der Lohn stimmen muss.» Betrachtet man Aussagen von jungen Frauen, drängt sich der Schluss auf, dass eine Generation herangewachsen ist, die selbstbewusst ihre Rolle in der Arbeitswelt einfordert, ohne vielbeschworene weibliche Bescheidenheit.
«Frauen und Männer der Generation Y verabschieden sich von traditionellen Rollenmustern», stellen denn auch Soziologen und Marktforscher erfreut fest. Bereits vor einigen Jahren konstatierte das deutsche Zukunftsinstitut, eine junge Führungsriege dränge mit einem neuen Selbstverständnis in Toppositionen vor. Die Zielvorstellungen von weiblichen und männlichen Nachwuchskräften hätten sich dabei angenähert. Laut den Autoren der Denkfabrik herrscht eine «fast schon unheimliche Übereinstimmung in den Wünschen und Erwartungen der Generation Y».
Keine Erosion der Rollenmuster
Doch inwiefern treffen solche Aussagen auf den hiesigen Arbeitsmarkt zu? Hat in der Schweiz tatsächlich ein einschneidender Generationenwandel stattgefunden? Die Art und Weise, wie man das Thema Gender und Diversität wahrnehme, habe sich schon geändert, sagt Gudrun Sander, Titularprofessorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Vor zwanzig Jahren habe es sich noch um ein Nischenthema gehandelt, über das vor allem in Gewerkschaftskreisen diskutiert worden sei. Heutzutage spreche jeder CEO über Diversität – oftmals auch aus Reputationsgründen, sagt die Wissenschafterin.
Vor allem mit Blick auf die junge Generation stellt Sander einen Wandel fest. Mitarbeiterinnen und Bewerberinnen unter vierzig schafften es heutzutage, gleiche Löhne wie ihre männlichen Kollegen durchzusetzen. Dies gelinge den Frauen vor allem dann, wenn klar sei, innerhalb welchen Lohnbandes sie verhandeln könnten. Dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit von der jungen Generation verstärkt eingefordert wird, bestätigt auch Stefan Ries, Chief Human Resources Officer bei SAP. «Junge Menschen setzen ‹equal pay› vielfach als Selbstverständlichkeit voraus. Wer dem als Unternehmen nicht entsprechen kann, fällt bei jungen Talenten leicht durchs Raster», sagt der HR-Experte.
Gleichzeitig zielen die Bestrebungen der Firmen im Bereich Diversität heutzutage vermehrt nicht mehr nur auf Frauen, sondern auf beide Elternteile. Mit Programmen wie «Parents at Work», die eine bessere Balance von Familie und Arbeitswelt bezwecken, beziehen Unternehmen wie Siemens oder Deloitte explizit die Väter mit ein. Wie man bei Siemens Schweiz erklärt, wurde das Programm zur Vorbereitung auf die Elternschaft und die Rückkehr ins Berufsleben von Männern buchstäblich «überrannt».
Quelle: 21.03.2019 – NZZ.ch